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DIE POESIE VON VERSUCHSANORDNUNGEN

DIE POESIE VON VERSUCHSANORDNUNGEN

Text: Martha Miklin

Fotos: Philipp Forstner

Experimentell, konzeptionell, kontextgebunden – so beschreiben Katharina Mischer und Thomas Traxler das was sie tun in ihrem Studio in Wien 15. Als mischer’traxler kreieren die Designer Objekte, Möbel, Installationen, Prozesse und verbinden dabei Handwerk mit neuen Technologien. Viele ihrer Arbeiten kreisen immer wieder um ein Thema: die Natur.

Esperma 1. Abschnitt

Ephemerā nennt sich das jüngste Projekt des Designerpaares mischer’traxler – eine kinetische Installation, die sie im Auftrag einer Champagnermarke konzipiert haben: Ein großer Tisch, auf dem florale Elemente aus farbigem Federstahl ragen. Nähert sich der Betrachter dem Tisch, ziehen sich die Blätter und Insekten zurück. So, als würden sie sich verstecken. Macht er ein paar Schritte zurück, kommen sie wieder hervor. Dazu zwei Spiegel, die dasselbe Spiel spielen und ihre Blumenornamente erst entfalten, wenn der Betrachter einen gewissen Abstand einhält, Respekt bewahrt.

„Wenn man im Wald ist und man sieht ein Reh, hält man meistens inne, weil man ganz genau weiß: Wenn man näher kommt, ist es wieder weg,“ so Thomas Traxler, der gemeinsam mit Katharina Mischer seit 2009 unter dem Namen mischer’traxler das eigene Design-Studio im 15. Wiener Gemeindebezirk betreibt. Ephemerā fängt den Moment der Vergänglichkeit ein, die Melancholie, die dazugehört, wenn ein schöner Moment vorbeigeht. Die Installation thematisiert das Verhältnis des Menschen zur Natur. Ein Thema, das die beiden in vielen Arbeiten behandeln, weil sie die Natur als „perfektes System, in dem alles seinen Grund hat“ fasziniere.

Als Ephemerā für die Design Miami aufgebaut wurde, „sind auch Security-Leute und Maler vorbeigekommen und alle haben auf das Projekt emotional reagiert, obwohl sie nicht Teil des kunstaffinen Publikums waren. Das war für uns einer der schönsten Momente, weil wir gemerkt haben: Jeder hat einen eigenen Bezug zu der Arbeit.“ An der Installation arbeiteten sie ein ganzes Jahr, an der Umsetzung waren außerdem eine Tischlerei, ein Wasserstrahlschneider, ein Laserschneider, ein Programmierer, ein Brünierer, ein Transportservice und noch einige Kleinhändler beteiligt.

„Wir haben uns bewusst für Wien entschieden“

Im Studio in der Sechshauserstraße, nicht weit vom Westbahnhof, hängt eine schöne Holzschaukel, gleich in der Nähe der Eingangstür. Aber schaukeln, das ginge gerade nicht, zu groß wäre die Gefahr, dabei den Behälter voller dunkelblauer Säure umzustoßen, der auf einem Regal an der Wand steht und auf den ersten Blick wirkt, als wäre er ein Aquarium. Erst beim zweiten Blick wird klar, dass es etwas anderes ist, und zwar ein Galvanisierungsbecken, in das man nur mit den gelben Plastikhandschuhen greifen sollte, die unterhalb hängen.

Experimentieren, das ist die mischer’traxler-Methode, die in jedem Projekt zum Tragen komme, genau so wie eine Ausrichtung auf den Kontext und konzeptionelles Denken Teil des Arbeitsprozesses seien. Bei den Materialien und der Produktion würden sie regional agieren, manchmal sogar „im Umkreis von fünf Kilometern. Man kann nicht jammern dass Firmen abwandern oder zusperren und selber kollaboriert man nicht. Wir sind abhängig von Handwerksbetrieben und von deren Wissen und wenn man die nicht nutzt, dann werden sie verschwinden,“ so Thomas.

In Wien fühlen sie sich wohl, sie schätzen das Vorhandensein vieler kleiner Unternehmen und Produktionen. Zwar sei die Szene im Vergleich zu England oder Holland, wo die beiden auch studiert haben, wesentlich überschaubarer. Aber „in Wien herrscht eine Aufbruchsstimmung. Wir haben uns bewusst für Wien entschieden, weil hier alles gerade im Entstehen ist, und da dabei zu sein ist viel spannender als sich in eine festgefahrene Struktur eingliedern zu müssen“, meint Katharina.

2. Textabschnitt, titelbild
Die Utopie der Nachhaltigkeit

Das große Thema Nachhaltigkeit schwinge im Arbeitsprozess natürlich mit, aber würde nie zum Selbstzweck werden, sei es auch schwer zu fassen: „100% Nachhaltigkeit ist so ein Riesending das man nie erreichen kann, es ist eine Utopie. Es gibt so viele Aspekte von Nachhaltigkeit, die sozialen Aspekte, die Materialien und so weiter …“, sagt Thomas, und Katharina führt den Gedanken fort „…und es gibt nur ganz wenige Projekte, die es fast schaffen, nachhaltig zu sein.“

Recycling wäre da schon greifbarer, auch dieses Thema würde bei ihnen früher oder später aufs Tapet kommen, aber nicht unmittelbar im Vordergrund stehen. Ob sie Dinge wiederverwerten würden? „Wir nutzen öfters Sachen, die schon existieren, wie bei den Relumine-Lampen, aber dieser Aspekt ist nicht der wichtigste. Global betrachtet wäre das ein sinnloser Punkt, bei den 60 Lampen, die wir dafür verwenden,“ überlegt Thomas, wobei Projekte wie diese andererseits schon auch die Kraft hätten, Menschen auf einem anderen Level zu erreichen, sie zum Nachdenken zu bringen, aufzurütteln.

Und das tun die Kreationen von Katharina und Thomas sehr oft. Sie hinterfragen, regen Gedankenprozesse an, überraschen. Auch das sei Teil von Funktionalität, die ihnen stets ein Anspruch ist – in Kombination mit einem ästhetischen Wert, denn „auch wenn man das stärkste Konzept hat oder die stärkste Aussage, wenn das Projekt nicht interessant ist in einer ästhetischen Art und Weise, wird’s keinen interessieren.“

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Wer bist du in der Welt?

Die Designwelt liebt mischer’traxler. Und zeichnet sie gerne aus – die beiden haben in den letzten Jahren diverse Awards und Preise nach Wien geholt, der aktuellste davon der ‘Young Talent Award’ der BE OPEN-Stiftung, die sich selbst als „Inkubator für junge Talente“ bezeichnet.

Ihre Kreationen wurde im Londoner Design Museum, im Cafa Art Museum Beijing und im Boijmans van Boiningen Museum in Rotterdam ausgestellt. Im Kunstinstitut in Chicago und im MAK Wien sind mischer’traxler Kreationen Teil der ständigen Sammlungen. Seit 2014 unterrichten sie am Istituto Europeo di Design in Madrid, sie halten Workshops und Vorträge in Frankreich, den USA und wo man sie sonst noch haben will.

Was sie den StudentInnen mitgeben? „Wir schauen dass sie wirklich ehrlich finden was sie interessiert und wer sie sind in der Welt, damit sie Projekte machen können die zu ihnen passen. Wir versuchen, ihre Stärken herauszukitzeln, festzustellen, ob der Weg, den sie gehen, auch der Weg ist, der sie interessiert. So kann man am besten arbeiten, denn dann wird’s am ehrlichsten und am stärksten“, sagt Katharina und spricht vielleicht auch ein bisschen von sich selbst, denn ehrlich zu sich selbst zu sein und nicht einem Idol nachzueifern zu dem man nie wirklich werden könnte, sei auch ihr ein Anliegen.

Tisch, Vase, Sessel

Wie mischer’traxler sich die Zukunft von Design vorstellen? „Wir sehen Design als Mediator zwischen verschiedenen Mitspielern: Wenn wir etwas für ein Museum machen, stehen wir zwischen der Institution und dem Besucher. Das Spannende wäre, dass man mehr und mehr erkennt, diese Vermittlungsfähigkeit gut zu nutzen und sich als Designer auch mit Wissenschaftlern, mit Technikern und so weiter zu vernetzen.“ Denn: „Designer haben die Fähigkeit die unverständliche wissenschaftliche Sprache runterzubrechen, sodass Otto Normalverbraucher versteht worum es geht“, so Katharina. „Oder diese Sprache übersetzen und zeigen, was möglich ist“, fügt Thomas hinzu.

Die beiden ergänzen ihre Sätze so wie man es gerne älteren Ehepaaren unterstellt. Im Gespräch entwickeln sie ihre Ideen, es entstehen neue Gedanken, der Prozess ist fließend, lebendig und mündet vielleicht auch gerade deshalb nicht immer in ein Objekt, ein Ding. Das, was als Ergebnis entsteht, könne auch ein System sein, ein Prozess oder Werkzeuge, die man zur Verfügung stellt. „Es muss nicht immer Tisch, Vase, Sessel sein“, so Katharina abschließend. Was wohl alle Projekte verbindet, egal ob System, Lampe oder Installation: Man spürt das Herzblut, das sie zum Leben erweckt, die Liebe zum Detail. Wenn die mischer’traxler-Kreationen Worte wären – sie wären Gedichte.

 

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