Text: Sandra Pfeifer
Fotos: Karls Garten
Die Selbstversorgung, der Pioniertraum zunehmend vieler Städter, wird auch auf der Expo 2015 in Mailand thematisiert. Urban Gardening setzt erste Schritte in Richtung essbare Stadt. Mehr als nur ein flüchtiger Trend, schlägt diese Bewegung mittlerweile sprichwörtlich Wurzeln. So wie „Karls Garten“ in Wien. Projektleiterin Simone Rongitsch verrät uns, was einen guten Boden ausmacht und wie man auch auf dem eigenen Balkon Kartoffeln ernten kann.
Wir probieren jedes Jahr verschiedenen Anbautechniken, etwa Hochbeete oder vertikale Gärten. Dieses Jahr experimentieren wir mit neuen Anbauformen wie z.B. in Jutesäcken, die am Balkon wenig Platz einnehmen aber doch eine beachtliche Kartoffelernte abwerfen. Und wir versuchen mit Bauzaun eine Art Tomatenturm mit Stroh herum zu bauen, damit es für die Pflanzen nicht zu feucht wird. Im ersten Jahr haben wir verschiedene Arten an Getreide, Gemüse und Obst angebaut um zu sehen was geht und was nicht.
Was ist der Nutzen von einem Gemüsegarten in der Stadt – kann man die Städter davon wirklich ernähren?
Es kommt natürlich immer auf die Qualität des Bodens an, ob wirklich etwas wächst. Der Verein Arche Noah definiert den Bedarf mit ca. 70m2 pro Person. Ich glaube, da kann man sich teilweise davon ernähren. Das wäre allerdings saisonbedingt und man müsste einen Teil der Ernte einlegen oder einfrieren. Um sich vollständig zu ernähren braucht man 150m2 an gutem Boden pro Person.
Was macht einen guten Boden aus?
Ein guter Boden ist sehr nährstoffreich. Bei einem Hochbeet zum Beispiel probiert man verschiedene Schichten aufzubauen. Vom Gehölz mit Drainage zu einer Laub-Humus Schicht, das ist dann eher schon säuerlicher Humus. Wir experimentieren aber auch mit Recyclingmaterialien wie mit Ziegelsplitt, Perlit und Lava – bekannt auch von Dachgärten weil sie sehr leicht sind. Wir hatten bei Ziegelsplitt zum Beispiel gute Resultate, weil wir weniger Unkraut hatten. Wenn man von essbarer Stadt spricht, dann meint man eigentlich das was auf 1m2 Feld an Nahrung für einen Menschen produziert werden kann. Das kann in einer Stadt auf öffentlichen Plätzen sein, halböffentlichen wie man es aus dem Gemeindebau kennt oder privat, wie am Balkon. Die Summe ergibt dann eine essbare Stadt.
Schafft ein solcher öffentlicher Garten auch mehr Bewusstsein in punkto Nahrung?
Die Frage, woher unser Essen kommt, motiviert viele Gärtner und Stadtbewohner. Dabei lernt man auch ganz schnell einmal, was es für ein Aufwand ist, bis die ersten Tomaten sprießen. Es ist auch eine entspannende Freizeitbeschäftigung – man trifft sich im Grätzel, man ist draußen. Es schafft auch ein anderes Bewusstsein zur öffentlichen Raumkultur. Deshalb war uns wichtig, nicht die klassischen Schrebergärten zu machen, sondern mehr Gemeinschaftsräume ohne Zäune zu schaffen.
Was für Feedback bekommt ihr von den Leuten über den Garten?
Sehr positives. Wir bekommen Fanbriefe von Leuten mit Fotos, die sich zum Beispiel auch ein Hochbett gebaut haben. „Karls Garten“ am Karlsplatz ist einerseits ein Schaugarten der öffentlich zugänglich ist, zum Ideen holen, und andererseits auch ein Forschungsgarten. Viele Leute glauben auch nicht, dass mitten in der Stadt Kohlrabi wachsen und Grünraumflächen einmal nicht für Zierpflanzen genutzt werden. Die Leute genießen das: Da wächst etwas, das ich essen kann. Man kann mit Gemüse auch genauso ästhetisch Parkanlagen bepflanzen. Da wären wir wieder bei der essbaren Stadt – es hätte einen Nutzen für den der es will. Pflegeaufwand ist es auch weniger. Man kann Pflanzen setzen, die mehrjährig sind. Und wir geben andere Möglichkeiten vor in unserem Grünraum. Für den Forschungsteil des Projekts arbeiten wir mit einem großen Expertenteam zusammen und sehen uns an, wie man einen Garten entwickeln und ausbreiten kann. Es gibt mittlerweile 53 solcher Gärten in Wien.
Wir haben mit Vorstudien gearbeitet und im letzten Jahr diesbezüglich schon gute Ergebnisse gehabt. Auf die Frage, ob das Gemüse aus „Karls Garten“ essbar ist: Ja, ist es.
Was sind die besten Gemüsearten für einen Stadtgarten?
Salat, Radieschen, Kräuter. Dieses Jahr haben wir zusammen mit der Arche Noah alte Sorten gepflanzt, weil uns interessiert, wie sich solche in der Stadt entwickeln können. Wir haben zum Beispiel 15 verschiedene Kartoffelsorten, zehn verschiedene Mangoldsorten, etc. Aber all das kann man erst zeigen, wenn die Ernte da ist…