Breathe

Freerider darf sich jeder nennen

Einatmen
Freerider darf sich jeder nennen

Text: Matthias Köb

Fotos: Alex Kaiser, Birgar Olsen, Xandi Kreuzeder, Jakob Polacsek, Zero Division, Eric Themel

„Kannst du nicht einfach normal Skifahren?“, fragt Papa Winkler, wenn er Videos von Sohn Martin sieht. Könnte er schon, tut er aber selten. Er ist halt „Geländeskifahrer“, wie die Oma sagt. Und eigentlich ist der Papa ja selbst schuld, schließlich hat er seinem Sohn das Skifahren beigebracht.

Martin Winkler – genannt „McFly“– zählt zu den bekanntesten Gesichtern der Freeride-Szene. Viele Jahre gehörte er selbst zu den Topfahrern, heute ist er Filmproduzent, Sänger und Judge auf der Freeride World Tour. Seine Erfahrungen, der immerwährende Respekt vor der Natur und warum Freerider so lässig wirken – verpackt in einen Skitag.

Testimonial-Shooting
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07:00 Uhr: Vorbereiten auf den Skitag (oder: Die Sorgen vom Papa)
Mein Vater hat mich schon früh ins Gelände mitgenommen, aber Abfahrten mit großen Sprüngen hat er mir immer vorenthalten. Vor einer Kante hat er mir einmal zugerufen, ich soll stehen bleiben. Ich hab ihn nicht gehört, bin ein paar Meter geflogen – und gelandet als wäre nichts gewesen. Er wollte schimpfen, musste dann aber lachen. Irgendwie war er stolz, dass ich es drauf hab.

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08:30 Uhr: Ski anschnallen (oder: Die Entdeckung der Leidenschaft)
Während des BWL-Studiums hab ich die Ausbildung zum staatlichen Skilehrer gemacht. Als ich zum ersten Mal vier, fünf Monate auf Ski gestanden bin und immer noch voll motiviert war, hab ich gemerkt: Ok, da steckt mehr dahinter! Beim Studium ist zwar nichts weiter gegangen, aber dafür konnte ich 1000 andere Sachen ausprobieren – und viele davon sind heute Teil meines Jobs.

08:35 Uhr: Rauf auf den Berg (oder: Freerider sind keine Einzelkämpfer)
Als Freerider musst du dir alles selbst erarbeiten und organisieren. Dadurch entwickelt sich unter den Ridern ein „Miteinander“ statt „Gegeneinander“. Natürlich gibt es auch Konkurrenzdenken, aber da geht es eher darum, die anderen zu beeindrucken und zu zeigen, wie gut man fahren kann.

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08:40 Uhr: Aufwärmübungen (oder: Auch Freerider sind Leistungssportler)
Top-Freerider sind körperliche und mentale Maschinen, wie man sie aus anderen Sportarten kennt. Es gibt jedoch Unterschiede in der Trainingsart: Wir gehen surfen, tauchen oder trainieren am Strand – deshalb haben wir den Ruf, dass alles locker-lässig ist.

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08:40 Uhr: Blick auf den Hang (oder: Das Gefühl)
Es klingt zwar immer so klischeehaft, aber es ist ein Gefühl der Freiheit. Und das Schönste ist: Freerider darf sich jeder nennen, der diese Einstellung hat. Es ändert sich nichts nur weil man besser oder schlechter fährt.

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08:41 Uhr: Die erste Abfahrt: (oder: Schön bleibt schön)
Du brauchst nichts weiter als Ski und einen schneebedeckten Hang und kannst Sachen machen und Geschwindigkeiten erreichen – so nah kommst du dem Fliegen sonst nirgends. Und auch wenn du schon unzählige Rides gemacht hast, das Erlebnis ist immer das gleiche. Das Gefühl nützt sich nicht ab.

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12:00 Uhr: Pause machen, Natur genießen (oder: Stadt vs. Land)
Ich mag Städte – die Kultur, die Menschen und die Möglichkeiten, die sie bieten. Was mir allerdings fehlen würde, sind Plätze in der Natur, an die ich mich zurückziehen kann, wo ich durchatmen kann. Die brauche ich sehr oft, deshalb könnte ich nicht dauerhaft in einer großen Stadt leben.

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13:00 Uhr: Zeit für eine Abfahrt am Limit (oder: Der Respekt vor der Natur)
Ich fahre immer so, dass jeden Moment etwas passieren könnte. Das bedeutet nicht, dass ich es herausfordere, aber wenn etwas passiert, weiß ich, wie ich reagieren muss. Die möglichen Konsequenzen des eigenen Handels sind einem beim Freeriden in jeder Sekunde bewusst.

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14:00 Uhr: Schlechte Sicht (oder: Die geringe öffentliche Wahrnehmung)
Das Schöne ist: Mir hat nie jemand gesagt, was ich zu tun habe. Aber gerade wenn man eigene Ideen umsetzen will, wäre es ein Vorteil, wenn Freeriden mehr im Fokus stehen würde. Die Schönheit unseres Landes wird bei unserem Sport eigentlich besser vermittelt als durch irgendein Rennen.

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16:15 Uhr: Aprés Ski (oder: Ski-Filme sind keine Leistungsschau)
Unsere Firma hat mittlerweile sieben Mitarbeiter, das Kerngeschäft ist Film – und da beschränken wir uns seit längerem nicht nur auf Ski-Filme, auch wenn wir anfangs natürlich sehr von unseren Kontakten zur Szene profitiert haben. Was mir jedoch bei Skivideos auffällt: Es geht nicht mehr nur um schneller, höher, weiter. Die Leistung an sich wird zwar immer ihren Platz haben, aber die Charaktere, wie es zu dieser Leistung kommt und was dahinter steckt – das gewinnt immer mehr an Bedeutung.

17:00 Uhr: Ein letzter Blick auf die Berge (oder: Die Vielfalt der Heimat)
Ich bin schon weit gekommen, durfte vieles sehen. Und da waren auch viele Highlights dabei. Was Österreich aber auszeichnet, ist die Vielfalt an Variationen und Geländeformen. Der Bregenzerwald, die Täler im Tirol, die Großglockner-Region – das ist wirklich unglaublich.