Text: Matthias Köb
Fotos: Reinhard Lang
Selbst das Navi hatte Probleme, die angegebene Adresse zu finden; während des Interviews marschiert draußen die Blaskapelle vorbei. Gröbming ist nicht unbedingt ein Ort, an dem man ein Tattoo-Studio vermuten würde. Auch jenes von André Zechmann ist irgendwie ungeplant entstanden und so zum Ursprungsort der „veganen Lederhose“ geworden, die streng genommen ein Widerspruch in sich ist. Deshalb ist sie auch keine echte Lederhose, dafür aber tätowiert und nachhaltig produziert. Und den Unterschied zu einer echten merkt eh fast keiner.
André, du bist gelernter Schildhersteller und hast lange als Grafiker gearbeitet. Mit dem Tätowieren hast du schließlich begonnen, weil du deine Begabung als Zeichner nutzen wolltest.
Ja, zumindest indirekt. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich meine Begabung nicht so wirklich einsetzen kann. Zum Tätowieren wurde ich aber eigentlich genötigt. Meine Freunde sind alle tätowiert und dafür immer nach Graz gefahren. In Österreich gab es vielleicht 50 Tätowierer, das waren halt die wilden Kerle. So einen gab es bei uns am Land nicht, und deshalb wollten sie immer, dass ich Tätowierer werde. Irgendwann sind sie mit mir nach Graz gefahren, um ein gebrauchtes Equipment zu kaufen. Das war wirklich so klischeemäßig in einem Hinterhofkeller: Dunkel, zerfetzte Couch, etc. Meine Freunde haben dann gemeint: „Scheiß’ da nix, das kaufst jetzt. Sonst fahren wir nicht mehr heim!“ Und am nächsten Tag ist schon der erste vor der Tür gestanden und wollt’ ein Tattoo. Das war eine Katastrophe.
Am Anfang hab ich alles gemacht. Sternchen, Schriften – das Übliche halt. Irgendwann hab ich in einer Zeitschrift die ersten Realismus-Tattoos entdeckt und mir gedacht: Genau das will ich machen. Aber ich musste mir irgendwie einen Namen machen, mich kannte ja keiner. Ich hatte mir damals gerade eine Lederhose für die Hochzeit meines Bruders gekauft, obwohl das eigentlich ja gar nicht meines war, so mit grünen Stutzen, kariertem Hemd, Hut und so weiter…! Ich hab dann beschlossen, die Lederhose auf eine Tattoo-Convention anzuziehen und bin mir echt komisch vorgekommen – aber danach hat mich jeder gekannt. So bin ist die Idee entstanden, eine individuelle Lederhose mit Totenköpfen und meinem Schriftzug zu fertigen.
Als wir damit begonnen haben, war die Frage: Wo kriegt man Lederhosen her? Wir haben verschiedene Hersteller in Österreich gefragt, aber die bieten alle nur Einzelstücke auf Bestellung mit einer Wartezeit von ein bis zwei Jahren. Eine Serienproduktion gibt es in Österreich nicht. Die billigen Lederhosen kommen aus Pakistan und Bangladesch und bestehen aus vierfach geschichtetem Ziegenleder, das heißt, die Ziegenhaut wird mit Chemie behandelt und geschichtet – gegerbt wird da nichts. Das wollten wir nicht, deshalb haben wir uns entschieden, die Hosen in einer Schneiderei in Mureck selber fertigen zu lassen. Nach langem Suchen nach dem richtigen Material sind wir auf das so genannte englische Leder gestoßen, eine extrem wiederstandfähige, gewachste Baumwolle, die kaum von echtem Leder zu unterscheiden ist.
Manche Leute sagen: Jetzt kostet die Hose 485 Euro und dann ist das nicht mal echtes Leder. Wenn ich dann frage, wo der Vorteil von echtem Leder liegt, verweisen sie auf die Robustheit. Dann sag ich: Probier’s aus, versuch das Ding zu zerreißen, drück eine Zigarette aus – da passiert nix! Andere haben wiederum gemeint, das sei alles nur Kitsch mit den Totenköpfen, den Bildern und so. Das hat sich dann aber schnell geändert, als wir öfters in den Medien vertreten waren. Heute hängt die Hose im Heimatmuseum in Gröbming. Natürlich können nicht alle mit den Tattoos etwas anfangen, aber ich würde nicht sagen, dass es Kitsch ist. Kitsch sind pinke Lederhosen.
Was bedeutet dir Tradition?
Ich bin auf jeden Fall sehr heimatverbunden. Bei Tradition ist immer die Frage, wie man sie auslegt. Ich habe mittlerweile als Tätowierer einen Namen, durch die Kleidung werde ich aber auch außerhalb der Szene immer bekannter. Deshalb lassen sich viele Menschen bei mir auch traditionelle Motive stechen, obwohl für manche sicher auch Tattoos und Tradition nicht zusammen passen. Ich denke einfach, Tradition soll erhalten werden, aber sie darf moderner werden. Es ist nicht schlimm, wenn sich etwas weiterentwickelt.
Ich bin ein Bergkind. Mein Vater war jahrelang beim Alpenverein als Markierungswart tätig, das heißt, wir waren jede Woche in den Bergen. Ich glaube, ich war mit fünf Jahren das erste Mal am Dachstein. Ich bin eigentlich ein bisschen ein Workaholic, beim Tätowieren sitz ich im Studio im Keller. Da braucht man einen Gegenpol und das ist für mich die Natur. Ich bin mittlerweile auch draufgekommen, dass mein Handy rechts oben einen Knopf hat, wenn ich da länger drauf bleibe, geht es aus.
War diese Verbundenheit zur Natur auch ein Grund dafür, dass du bei der Produktion der Hosen großen Wert auf Nachhaltigkeit legst?
Das ist natürlich immer ein Thema. Unsere Hosen sind mittlerweile auch GOTS-zertifiziert (Anm.: „Global Organic Textil Standard“, ein Standard für umwelttechnische Anforderungen entlang der Produktionskette und die Einhaltung von Sozialkriterien). Man muss aber ganz klar sagen: Nachhaltigkeit ist auch eine Frage davon, was der Kunde bezahlen will. Manchen sind unsere Lederhosen einfach zu teuer, die kaufen lieber ein Billigprodukt. Wenn jemand eine Lederhose um 50€ will, schafft man das nicht mit nachhaltiger Produktion.