Breathe

Eine kulinarische Tour de Force durch Wien

Einatmen
Gustav Mahler meinte einst, wenn die Welt einmal untergehen sollte, dann ziehe er nach Wien, denn dort passiere alles fünfzig Jahre später. Wenn es um das Thema Street Food geht, scheint sich die Stadt allerdings nicht ganz so viel Zeit gelassen zu haben. Diese Food Aficionados, die ihre qualitätsreichen Kreationen lieber auf die Straße bringen als auf die Teller eines Restaurants, sind in Metropolen wie New York, London oder Berlin schon seit langem etabliert, und bieten seit kurzem auch in Wien den alteingesessenen Würstelständen und Kebabhäusern die Stirn.
Und tatsächlich muss sich unser schönes Wien nicht mehr hinter Williamsburg oder East London verstecken, wo man ganze Tage auf Street Food-Märkten verbringen kann. Du glaubst uns nicht? Hier der Beweis: Wir sind einen ganzen Samstag lang durch die Stadt gestreift und haben uns dabei nur von Street Food ernährt; eine kulinarische Tour de Force die uns zu Marktständen, Food Trucks und Straßenfesten geführt hat.

 

10:15 Uhr – Yppenplatz – kaes.at

 

Wir starten unseren Streifzug bei kaes.at im Bobo-Himmel am Yppenplatz, wo Stephan Gruber neben Bregenzerwälder und Schweizer Käsespezialitäten auch Raclettebrote verkauft, die ihresgleichen suchen, und zwar auf eigens gebackenem Brot, garniert mit Kräutern. Hier geht es nicht um Kochkunst, hier geht es schlicht und einfach um die hervorragende Qualität der Zutaten. Nicht umsonst ist Stephan auch Schirmherr der Slow Food Bewegung in Wien, die das Credo vertritt, dass Lebensmittel regional, sauber und fair sein sollen. Wenn man Street Food hört, denkt man gerne an Burger, Burritos und Hot Dogs. Dabei aber man darf dabei nicht die großartigen Speisen vergessen, die wir in Österreich sowieso haben. Und ganz im Ernst, am Broadway Market in London würden sie sich nach dem Raclettebrot von Stephan alle 10 Finger abschlecken.

11:00 Uhr – Xaver Brauerei – Schwein und Wein

Von kaes.at haben wir es nicht weit zur Xaver Brauerei in der Hasnerstraße, wo „Schwein und Wein“ ihr Lager aufgeschlagen haben; oder genauer gesagt aufschlagen mussten, nachdem die Feuerwehr ihren Räucherofen am Yppenplatz löschen musste. In der Tradition alten Wiener Garküchen wurden dort Schweinekopf, -füße und –schwänze geschmort und gemeinsam mit selbst eingelegtem Gemüse und Petersiliensalat in einer Handsemmel serviert. Wer genau hinschaut kann am Bild ein Stückerl Rüssel entdecken. Wir freuen uns über den Locationwechsel, weil so gibt’s zur Sau auch gleich noch ein Pale Ale aus Xavers Brauerei. Ja, wir wissen, es ist erst elf Uhr vormittags, aber die Sonne scheint und man ist nur einmal jung. Der Tag fängt jedenfalls gut an.

12:10 Uhr – Kutschkermarkt – Gourmet Nomaden

 

Kurz verdauen und schon geht es weiter zum Kutschkermarkt im 18. Wiener Gemeindebezirk, wo die Gourmet Nomaden jeden Samstag mit ihrem Food Truck zu finden sind und frisch zubereitete Köstlichkeiten aus aller Welt verkaufen: Eintöpfe! Curries! Schmorgerichte! Für uns gab es herrliches indisches Tomaten-Korma mit Garam Masala (scharf und super!) und ein Thai Gaeng Masaman-Curry. Die Gourmet Nomaden gehören, so wie die tollen Wrap Stars und die Burgermacher der Hy-Kitchen, zu den ersten die sich in Wien durch den Behördendschungel gekämpft haben, um mit ihrem Food Trucks als „fahrende Händler“ ihr Essen verkaufen zu können. Davor haben wir Respekt, und noch dazu können sie kochen.

12:50 Uhr – Karmelitermarkt – Britwurst
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14:50 Uhr – MQ/WAMP Design Festival – Road Crêpe
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17:30 Uhr – Josefstädter Straße – Leberkas Willi

 

Wenn man in Wien über Street Food redet, dann redet man irgendwann auch über Käsekrainer und Leberkäse. Nicht nur weil sie Teil unserer Kultur sind, sondern weil sie, nach den Unmengen die wir verspeisen, vermutlich schon buchstäblich in unsere DNA übergangen sind. Schön, dass es auch hier ein paar kreative Menschen gibt, die diese beiden Klassiker hochleben lassen. Man denke nur an Wursti’s vor der Pratersauna.
Und so beenden wir unsere Esstour durch Wien standesgemäß mit einem Chilli-Käsleberkässemmerl beim Leberkas Willi auf der Josefstädter Straße. Dort wird der Fleischlaib mit einer Vielzahl an Sorten zelebriert, ohne dabei die Qualität und Herkunft der Zutaten aus dem Auge zu lassen.
Mit dem Leberkässemmerl im Magen können wir voller Stolz sagen, dass Wien mittlerweile eine mehr als beachtliche Street Food-Szene aufweisen kann. Mit einem Mix aus internationalen Gerichten und einem Fokus auf Qualität und regionale Zutaten bei den lokalen Klassikern braucht man sich hier vor anderen Städten nicht mehr verstecken. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir uns auf unseren Lorbeeren ausruhen sollen, da geht schon noch ein bisschen was. Vietnamesische Bành Mì zum Beispiel…Jerk Chicken wäre auch geil…Pierogi…chinesische Flying Noodles. Verdammt, jetzt kriegen wir wieder Hunger.

Text: Bernhard Grabner

Fotos: Eva Zar