Text: Martha Miklin
Fotos: Walter Oberbramberger
Es gibt wohl niemanden in Österreich, der so viel Einblick in die heimische Nachwuchs-Modeszene hat wie die Austrian Fashion Association (AFA)-Gründerinnen Marlene Agreiter und Camille Boyer. Die beiden sind auch mitverantwortlich dafür, wie das Team im Österreich-Pavillon auf der diesjährigen Expo den Sommer verbringen wird – in elegant-sportiven Ensembles des Wiener Labels Superated. Wir haben mit den zwei Ladies über österreichische Nachwuchs-Talente, den Stellenwert von Nachhaltigkeit in der Mode und das große Selbstbewusstsein der jungen ÖsterreicherInnen gesprochen.
In Farbtönen des Waldes, genäht aus leichten Stoffen von österreichischen Produzenten, Elemente klassischer Berufskleidung kombiniert mit heimischer Tracht – die Team-Bekleidung könnte nicht besser zum Motto des Österreich-Pavillons „BREATHE.AUSTRIA“ passen. Der Designvorschlag von Peter Holzinger, dem Gründer des Labels Superated, und der Designerin Dragana Rikanovic habe die Jury begeistert. „Peters Arbeit war sehr stark“, sagt Marlene, und Camille ergänzt „sehr zeitgenössisch“, er habe ein sehr dichtes Projekt abgegeben, der viele Facetten des Projekts bis in die Tiefe reflektiert hätte. Die AFA, die als Schnittstelle zwischen den Nachwuchs-DesignerInnen und der Wirtschaft Förderungen vergibt, hatte den Wettbewerb ausgeschrieben und dazu fünf vielversprechende heimische Labels eingeladen. Die Entscheidung fiel der Jury, zusammengesetzt aus namhaften Modefachleuten, nicht leicht, denn alle hätten Großartiges geliefert. Aber den Zuschlag konnte sich nur ein Label holen.
„Wir haben in Österreich ein unglaublich hohes Niveau was eine zeitgenössische Reflexion auf Mode anbelangt. Es gibt viel Motivation und Drive was Neues zu machen und über alte Wege hinauszugehen“, schwärmt Marlene, die die AFA-Projektleitung innehat und seit 2008 im Bereich Mode und Design arbeitet. Zuvor hatte sie Psychologie und Modedesign an der Universität für angewandte Kunst Wien studiert. Camille, die künstlerische Leiterin, spricht von kreativer Exzellenz und einem Selbstbewusstsein im Sinne von trendunabhängigen, zeitgenössischen Arbeiten. Camille ist eine, die es wissen muss, hat sie doch in Paris, Shanghai und Wien Mode studiert, entworfen, unterrichtet und verkauft. Talent, sagen beide, sei eine Mischung aus einer feinfühligen Art Dinge wahrzunehmen und sie ebenso umzusetzen, aber nicht nur. „Wenn ich sage, Talent erkennt man, dann würde es das eigentlich schon beantworten“, so Marlene.
In der Mode ginge es freilich nicht nur ums Kleidermachen. Es schwebe auch eine Reflexion über den Zeitgeist mit, über Themen wie Produktionsweisen und Nachhaltigkeit: „Mode muss sich einerseits um faire Produktionsbedingungen bemühen, andererseits ist es ja auch so: Es gibt nichts, was uns so nah berührt wie Mode.“ Die logische Konsequenz daraus sei, auf Prozesse der Stoffproduktion, der Färbung und Verarbeitung zu achten. Die 100%ige Verwertung von Material sei ein weiteres Thema, das derzeit mitspiele: „Wie mache ich Schnitte, die fast keinen Abfall produzieren? Wie mache ich Produkte, die sich auch komplett recyceln lassen oder die von selbst verrotten?“, fragt Marlene stellvertretend für die neue Generation von DesignerInnen, die sich schon lange ähnliche Fragen stellt. Bestimmte Themen, die in diesem Nachhaltigkeits-Raum schweben, seien auch einfach Selbstverständlichkeiten in der jungen Szene: „Kleine unabhängige Labels arbeiten meist mit Produktionsunternehmen im Umland. Wer junge Mode kauft, unterstützt nicht nur talentierte DesignerInnen sondern auch Produktionsstrukturen und Cluster in Europa.“
Die Team-Bekleidung im Österreich-Pavillon ziert ein QR-Code aus Swarovski-Kristallen, der vom Ärmel direkt auf die Website www.expoaustria.at führt. Vielmehr Statement als Spielerei: Neue Technologien in der Mode sind schon längst im Alpenland angekommen. Im Herbst startet auf der Kunstuniversität Linz ein eigener „Fashion & Technology“-Studiengang. Die Bewerbungsphase sei gerade im Laufen, das Interesse groß, heimische DesignerInnen hätten sich auch schon mit dem Thema auseinandergesetzt: „Zum Beispiel Wolfgang Langeder, der mit dem Label Utope in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut Jacken entwickelt, in die ein mikroelektronisches System integriert ist, das LEDs, Sensoren, Steuerungselemente, einen Ein- und Aus-Schalter sowie eine wiederaufladbare Batterie beinhaltet. Michele Stinco und Elisabeth Frey entwickeln mit polychromelab Wendejacken mit einem patentierten Oberstoff-Laminat, welches je nach Außenbedingung und Sonneneinstrahlung kühlt oder wärmt,“ so Marlene. 3D-Print, Lasercut und Digitaldruck seien weitere Themen, die gerade boomen. Und die österreichische Jung-Szene ist mitten drin. Sie tobt sich aus, ohne sich zu verausgaben oder Aufmerksamkeit erhaschen zu wollen.
Wien hat den Ruf, immer etwas hinterherzuhinken. Was vielleicht in so einigen Bereichen zutrifft, gilt ganz und gar nicht für die junge Modeszene in Österreich, denn die ist alles andere als hinten nach. Camille und Marlene sprechen von einer selbstbewussten Haltung, von einer Treue zum eigenen Design, zum eigenen Statement. Superated steht stellvertretend für eine energiegeladene, motivierte, fortschrittliche, innovative Szene, die sich bewusst Nischen sucht und eigenständig Trends und Innovationen setzt, anstatt sich einem Mainstream unterzuordnen. „Die österreichische Mode ist vielleicht nicht eine, die laut nach außen schreit. Aber sie bildet sich aus sehr vielen, künstlerisch reflektierter und selbstbewusster Positionen Positionen“, so die beiden AFA-Gründerinnen abschließend.
Ihr Modetipp für Mailand? Ausschau halten nach österreichischen Labels – wie Arthur Arbesser, „eines der aufstrebendsten Talente“ oder Carol Christian Poell, international anerkannter Designer mit österreichischen Wurzeln. „Und natürlich die Team-Bekleidung im Österreich-Pavillon,“ fügt Marlene hinzu.