Text: Stephan Wabl
Fotos: Manuel Pallhuber
Maximilian Riedel sorgt dafür, dass Weinfreunde weltweit das richtige Werkzeug für ihren Genuss in der Hand haben. Bei einer Rundschau in der Kufsteiner Manufaktur des international renommierten Familienunternehmens erzählt der 37-Jährige, wie man Wein zum Atmen bringt und wo er Inspiration für seine Arbeit findet.
Wenn Maximilian Riedel über seine Arbeit spricht, kommt in jedem einzelnen Satz eines durch: Genuss muss man sich hart erarbeiten. Und als wolle er seine Sätze noch bildlich unterstreichen, trägt der 37-Jährige an diesem schönen Frühlingstag die passende Krawatte dazu: zahllose Gewichtheber, die sich auf gelbem Hintergrund die Puste aus der Lunge stemmen. Die Ansage ist deutlich: sein Ziel vor Augen haben, anpacken, kräftig einatmen, das Gewicht hochstemmen, dranbleiben, durchhalten, die Arbeit zu Ende bringen, sich kurz über den Erfolg freuen, ausatmen, weitermachen.
Von Kufstein nach New York und retour
Mit Atmen kennt sich Riedel besonders gut aus – leitet der stets adrett gekleidete Unternehmer doch in 11. Generation das in Kufstein ansässige und weltbekannte Familienunternehmen Riedel Glas, das sich einer Prämisse verpflichtet fühlt: Wein bestmöglich zum Atmen zu bringen. Um das zu erreichen, hat Riedel einen weiten Weg zurückgelegt: Mit 23 Jahren zog er in die USA und wurde zum „Vice President“ von Riedel Crystal America, zwei Jahre später wurde er Geschäftsführer und machte Nordamerika zum größten Exportmarkt für Riedel. „Als ich damals in New York gelebt habe, war die Luft zwar nicht die beste, dafür habe ich die kosmopolitische Atmosphäre eingeatmet und mich davon für meine Arbeit inspirieren lassen“, erzählt der Unternehmer. So war es auch während seiner Zeit in New York, als Riedel die Idee für seine preisgekrönte „O“-Serie hatte – eine Reihe Weingläser ohne Stiel. Ein befreundeter Barkeeper habe sich mit ihm darüber unterhalten, dass er sich aufgrund seiner geringen Körpergröße manchmal schwer tue, seine Gäste hinter den Gläsern auf der Bar zu sehen. Die daraus entstandene Serie wurde zur erfolgreichsten neuen Kollektion in der Geschichte von Riedel.
2013 kehrte Riedel als 35-Jähriger schließlich nach Tirol zurück und übernahm die Geschäftsführung im Unternehmen. Heute hat Riedel Tochterfirmen in neun Ländern, beschäftigt rund 1200 Mitarbeiter und stattet hunderte Restaurants weltweit mit den exquisiten Weingläsern aus. Auch der Expo-Pavillon in Mailand wird von Riedel beliefert.
Das Glas als Werkzeug
Doch wie bringt man Wein am besten zum Atmen? Wenn Riedel über diese Frage spricht, benutzt er gerne und betont das Wort Werkzeug. „Unsere Gläser dienen in erster Linie als Werkzeuge, die dem Wein zum optimalen Geschmack verhelfen sollen,“ so Riedel flotten Schrittes am Weg durch den Innenhof Richtung Glasmanufaktur. Dabei streicht er kurz seine Krawatte zurecht, als ob er unbewusst auf die Gewichtheber verweisen möchte. Form, Farbe und Größe der Gläser seien essentiell für den Geschmack und Geruch des Weines. Diese drei Elemente immer wieder zu perfektionieren und weiterzudenken, sei jeden Tag eine neue Herausforderung, meint der 37-Jährige.
Für Riedels Arbeit scheint jedoch nicht nur der Kraftakt des Gewichthebers als Symbol zu dienen, auch die Freizeitaktivitäten seines Vaters und Vorgängers dienen ihm als Vorbild. „Mein Vater ist begeisterter Marathonläufer. Dabei ist es wichtig, sich seine Luft gut einzuteilen und einen langen Atem zu haben“, betont Riedel.
Wie sich der Kreis schließt
Atem spielt auch eine zentrale Rolle, wenn Maximilian Riedel durch die Kufsteiner Manufaktur des 1756 gegründeten Familienunternehmens führt. Hier wird geblasen, gedreht, gewendet, geformt und am Ende fertiggestellt. „Jetzt wird gerade ein Glas geblasen“, zeigt Riedel auf einen stoisch-konzentrierten Mitarbeiter. „Der Glasbläser verlässt sich dabei voll und ganz auf sein Gefühl und seine Erfahrung. Sein Atem erzeugt quasi das Glas.“ Später einmal, wenn das Glas den Wein zum Atmen gebracht hat, wird sich der Kreis schließen.
Riedel selbst fährt zum Einatmen, auf der Suche nach Inspiration, gerne auf Reisen. Vor allem nach Asien verschlägt es den Unternehmer immer wieder. Kein Zufall also, dass sein Geburtsjahr im chinesischen Horoskop mit dem Symbol der Schlange ausgedrückt wird. „Daher kommt auch meine Vorliebe für Schlangennamen für meine Designs“, erklärt Riedel. 2011 kamen die Dekanter Mamba, Black Mamba und Green Mamba auf den Markt. Auf die Frage, wie die Namen seiner neuen Produkte festgelegt werden, antwortet er mit einem verschmitzten Lächeln und fügt an: „Das ist immer ein schwieriger Prozess.“
Längeres Ausatmen gönnt sich Riedel nicht, dafür gebe es noch zu viel zu tun: „Wenn etwas gelungen ist, gibt es kein Bravo.“ Er gehe zwar gerne in die Berge. Dafür brauche es aber kein erfolgreiches Projekt als Anlass, sagt der junge Unternehmer, bevor er aus der Manufaktur huscht und sich Richtung Verkaufs- und Degustationsraum aufmacht. Die nächsten Gewichte, um bei der Krawatte zu bleiben, wurden schon aufgelegt.
Die nächsten Gewichte warten
Hier wird nun ausgiebig und unter Anweisung des Chefs getestet. Gläser vergleichen, Glas in die Hand nehmen, Nase in das Glas, Augen zu, ganz langsam mit der Zunge herantasten und dann: genießen. „Schmecken Sie den Unterschied?“, fragt Riedel in die Runde und gibt sich die Antwort eigentlich schon selbst. Bejahendes Kopfnicken bei seinen Gästen. Und am Ende, die Gewichte sind wieder erfolgreich zurück am Boden, folgt sozusagen der abschließende Applaus in Form der letzten beiden Innovationen aus dem Hause Riedel: das Riedel-Coca-Cola-Glas und das Riedel-Nespresso-Glas. Besonders mit dem Cola-Glas, so der Jungchef, sei für ihn ein Bubentraum in Erfüllung gegangen.
Wenig später sind die letzten Tropfen gelehrt und Riedel verabschiedet sich in Richtung Innenhof. Kurz ausatmen, weitermachen, die nächsten Gewichte warten. Und man fragt sich unweigerlich, mit welcher Krawatte der umtriebige Glashersteller morgen zur Arbeit erscheinen wird.