Breathe
Das biodynamische Duo

Text: Martha Miklin
Fotos: Walter Oberbramberger

Stephanie Tscheppe-Eselböck und ihr Mann Eduard Tscheppe bauen im Burgenland Wein an – nach biodynamischen Prinzipien. Wein mit Persönlichkeit, der auch so schmeckt. Wir haben mit den beiden über diese nachhaltige Form des Weinbaus, die Zukunft ihrer Branche und das Burgenland als Kraftort gesprochen und wissen nun, dass der erste Satz so eigentlich gar nicht formuliert werden dürfte.

Die Sonne steht am Himmel. Blau ist er, sehr. Auf dem Haus ein rundes, weiches Storchennest. Darin zwei Störche, einer klappert mit dem langen Schnabel. Sie scheinen sich wohl zu fühlen, auf dem Dach von Gut Oggau im Burgenland. „Das ist kein Zufall“, so Stephanie Tscheppe-Eselböck, Winzerin, Heurigen- und Pensionsbesitzerin, Ehefrau, Mutter von Magdalena, August und Matilda und noch nicht mal 35 Jahre alt. „Wir haben das Nest draufgesetzt und zwei Monate später war der Storch drin.“ Das Gut hat etwas an sich, das anzieht. Aber was ist es?

Das biodynamische Prinzip

Gemeinsam mit ihrem Mann Eduard Tscheppe aus einer steirischen Winzerfamilie betreibt die Burgenländerin Stephanie Tscheppe-Eselböck seit 2007 ein Weingut nach biodynamischen Prinzipien. Das heißt: Keine synthetischen Spritzmittel, keine Chemikalien, kein künstlicher Dünger und viele weitere Einschränkungen, die als gemeinsamen Nenner einen Gedanken haben: Den Weinberg als lebendigen Organismus aus Pflanzen, Tieren und Insekten mit der Fähigkeit, sich selbst zu erhalten. Deshalb sei ein Eingreifen nur in minimalem Ausmaß erlaubt.

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Das Prinzip wurzelt in Rudolf Steiners Antroposophie, einer spirituellen Weltanschauung, die auf Ganzheitlichkeit basiert. „Der Boden ist unsere wichtigste Ressource, wir dürfen uns nicht den Teppich unter den Füßen wegziehen,“ so Eduard Tscheppe. Stephanie ergänzt: „Wir haben Land zu bewirtschaften – mit großem Respekt und auch einer Verantwortung der nächsten Generation gegenüber.“ Für Stephanie und ihren Mann war die Entscheidung des biodynamischen Anbaus ein „logischer Schritt“, etwas anderes wäre nie in Frage gekommen. Dafür erhielten sie die Demeter-Zertifizierung – jenes Netzwerk, das Lebensmittel und andere Produkte auszeichnet, die auf biodynamische Weise entstehen –und eine Mitgliedschaft in der „Renaissance des Appellations“, einer exklusiven Winzer-Vereinigung rund um den Demeter-Winzer Nicolas Joly, der so provokant gefragt hat: „Willst du wine-maker oder nature-assistent sein?“ 170 Weingüter weltweit seien mit dabei. Beitreten könne man nicht, man werde eingeladen.

Persönlichkeit ist mehr als die Summe von Eigenschaften.

Was es heißt, „nature-assistant“ zu sein? Eduard beschreibt es so: „Wir wollen die Kraft der Natur nutzen und sie nicht in eine Richtung zwingen. Am Ende des Tages lassen wir bewusst los, begleiten nur mehr und nehmen staunend an, was dabei rauskommt.“ Was rauskommt, sind richtige Persönlichkeiten. Sie heißen Theodora, Winifred oder Timotheus und Joschuari, wer die Etiketten mit den Namen und Gesichtern einmal gesehen hat, wird sie auch nicht mehr vergessen, dieser Look macht die Gut Oggau-Weine zu etwas Einzigartigem. Für die Gestaltung gab es 2009 den Goldenen Löwen von Cannes, 2011 stellte das Paar ihre Weinfamilie im Museum of Modern Art in San Francisco aus. Einzigartig will hier allerdings nicht als anders oder ausgefallen verstanden werden. Beim Wein ginge es darum, den Herkunftscharakter und die Böden auszudrücken. „Es gibt kaum eine Pflanze die so stark verwurzelt ist wie die Rebe: Sie kann 30 Meter in die Tiefe gehen und hat gleichzeitig so ein wahnsinniges Bedürfnis nach oben zu wachsen, einen unglaublichen Trieb zur Sonne. Manchmal zerreißt sie das fast, aber daraus entsteht auch wieder eine ungeheure Energie, die man bestenfalls und unverfälscht 1:1 in der Flasche bündelt. Das bringt diese Persönlichkeit in den Wein, die wir nicht kreieren müssen, weil sie durch diese Einflüsse einfach da ist“, fasst Eduard so schön zusammen. So wie der Charakter eines Menschen nicht in Eigenschaften aufgegliedert werden könne, so ließe sich auch ein Wein nicht in Aroma, Geschmack, Alkohol, Restsäure und Zucker zerlegen. „Da geht’s wirklich darum: Wie fühlt sich der Wein an? Wie geht’s mir danach? Richtet er mich auf oder macht er mich fertig?“ Die Seele eines Weines ist eben genau so wenig greifbar wie die eines Menschen. Für den Weinbau sei daher auch ein Feingefühl nötig, ein Spüren, Reinhören. Auch um feststellen zu können, wann er soweit sei – so wie man sich bei den Kindern irgendwann einmal entscheiden müsse, ob sie bereit sind für eine eigene Wohnung. Apropos Kinder: Wer von einem landwirtschaftlichen Ansatz, der auf Ganzheitlichkeit fußt, überzeugt ist, hört auch nicht auf, seine Prinzipien in anderen Bereichen zu leben. „Das Denken zieht sich in dein Leben, in die Erziehung der Kinder, in den Konsum, überall hin,“ so Stephanie.

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Das weite Land

Der Österreich-Pavillon bei der diesjährigen EXPO trägt den Titel „breathe.austria“. Es ist ein Wald, der pro Stunde Sauerstoff für 1.800 Menschen produziert. Die besonders gute Luftqualität Österreichs soll dadurch erlebbar gemacht werden. Dass Stephanie und Eduard den burgenländischen Boden zur Bewirtschaftung ihres Weins gewählt haben, ist einerseits sicherlich darauf zurückzuführen, dass es Stephanies Heimat ist und der Taubenkobel, das weltbekannte Spitzenrestaurant ihrer Eltern, quasi um die Ecke ist – wenn man in burgenländischen Dimensionen denkt. Andererseits sei der Boden hier auch prädestiniert für den biodynamischen Anbau. Das Bundesland ist ein weites Land, das Durchatmen nicht nur ermöglicht, sondern geradezu herausfordert. Stephanies Lieblingsplatz sei der Hölzlstein zwischen Oggau und Schützen, „eine Felsformation, wo die Kelten schon rituell gefeiert haben, ein Kraftplatz. Das ist ein sehr schöner Platz, wo man richtig durchatmen und in die Weite schauen kann,“ sagt Stephanie. Gut Oggau-Weingärten befänden sich unterhalb dieses alten Kraftplatzes.

Visionen aus der Vergangenheit

Genau so alt wie der Boden, auf dem der Wein wächst, hier ist, ist die biodynamische Bewirtschaftungsweise uralt, aber wieder en vogue. Der Zeitgeist spricht aus dem, was Stephanie und Eduard tun. Und wieder nicht. Denn darum ginge es ihnen nicht. Einerseits fänden sie es gut und wichtig, dass dieses Bewusstsein um die Wichtigkeit der Erde und die Knappheit der Ressourcen wachse. Weingüter, die nicht nachhaltig produzieren würden, sondern industriell und standardisiert, hätten in der Zukunft keine Chance – so die Einschätzung. Andererseits sei es alles andere als visionär, heute so zu denken. Denn: „Wenn man es kritisch sieht, ist es eigentlich schon die letzte Chance.“ Und die sei biodynamisch. Ganz klar. Stephanies Vision: „Ich würde mir wünschen, dass man über den Wein an sich spricht und gar nicht über die Produktion.“ Eine Zukunft, in der eine Bewirtschaftung im Einklang mit der Natur basierend auf Respekt für die Erde eine Selbstverständlichkeit sei.

Wie der erste Satz wohl lauten müsste, jetzt, nachdem man die Philosophie der beiden kennt und Stephanies Worte im Kopf hat? Vielleicht so: Wein entscheidet sich, auf dem Boden, der von Stephanie Tscheppe-Eselböck und ihrem Mann Eduard Tscheppe bewirtschaftet wird, zu wachsen und gut zu werden. Wein mit Persönlichkeit, der auch so schmeckt.

www.gutoggau.com

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